Archiv: Der Talisman
Landestheater Großes Haus
von Johann Nepomuk Nestroy
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
von Johann Nepomuk Nestroy
Willkommen in einer Welt, die ihr Glück mehr vom Schein als vom Sein abhängig macht: Alle Menschen haben hier die gleichen Chancen, fast alle, denn den „Rotkopferten“ begegnet man auf dem Schloss der Gräfin Cypressenburg mit Geringschätzung und Ausgrenzung. Während die selbstbewusste Gänsemagd Salome Pockerl trotzdem von der Schönheit ihrer morgensonnigen Haarpracht überzeugt ist und sofort in Begeisterung entflammt, als sie den ebenso rothaarigen Barbiergesellen Titus kennenlernt, leidet dieser unter der Diskriminierung. Als Titus den Friseur Marquis vor einem Unfall bewahrt und zum Dank eine schwarze Perücke erhält, nimmt sein Leben eine plötzliche Wende: Mit neuer Haarfarbe wird er zum Objekt der Begierde dreier konkurrierender Witwen und dem sozialen Aufstieg im Schloss steht nichts mehr im Wege …
Voller hinreißender Komik, witzesprühender Dialoge und messerscharfer Kritik an den Verhältnissen seiner Zeit ist „Der Talisman“ eines der großen Meisterwerke von Johann Nepomuk Nestroy. Nestroy sei „der erste deutsche Satiriker“, dessen Sprache sich „Gedanken macht über die Dinge“, so beschrieb Karl Kraus die herausragende Sprachkunst Nestroys. Das Regieduo und Theaterleiter-Pärchen Kaja Dymnicki und Alexander Pschill, die auf der Wiener Bühne Bronski & Grünberg Furore machen, ist für seinen rasant-erzählerischen, witzig-klugen Inszenierungsstil bekannt. Sie bringen „Der Talisman“ mit viel Musik und eigenen Couplets so auf die Bühne, dass sich Intellekt und Sinnlichkeit leichtfüßig begegnen.
Kurier
Alexander Pschill und Kaja Dymnicki gelingt Nestroys „Der Talisman“ hinreißend.
Florian Carove, ein wunderbarer Nestroy-Komödiant.
Laufenberg versucht sich kurz im Kärnterischen und macht Defizite mit einem hinreißend subtilen Spiel wett.
Gustostückerln sind Slapstick-Einlagen samt Vertonungen nach Art der Dick-&-Doof Stummfilme: ewenn Salome und Titus ihr Hüte lüpfen, tauchen die Haare alles in rotes Licht - und der Kuckucksuhrkuckuck kriegt fast einen Herzinfarkt. Sehr amüsant!
Die Presse
Gags, Gags, Gags!
In St. Pölten sind zwei flotte Stunden zu erleben, voll überraschender Gags und Mut zur reinen Unterhaltung, zu erbarmungslosen Kalauern.
Wer würde nicht einen Christian Dolezal loben? Er macht aus der Rolle überdrehtes Kabarett: grauer Arisierer und Autor schmachtet in irre dekadentem Wienerisch nach dem untersetzten Gigolo
Salome durchblickt das Spiel sofort, bald auch der Gärntergehilfe Plutzerkern (Michael Scherff spielt ihn excellent, nämlich fast zurückhaltend)
Denn im Landestheater wird rasant und ungeniert gespielt, auf Schenkelklopfer spekulierend. Raunzende Wiener Weißwürstel können beruhigt sein: Nestroy bleibt Nestroy.
Musiker Stefan Lasko mit dezentem Humor.
Der Standard
Die Aufführung, die in der kommenden Spielzeit weiter zu sehen sein wird und die am 31. August auch an der Bühne Baden gastiert, verfügt aber über ein paar schmucke Details und ist sprachlich neu durchgewürzt. Jedem Zeitalter seine Rotschopf-Synonyme: "Lavabuschn", "Blutwuckerl", "Rosthoden", "Sozilocke"! Oder auch: "Toupet oder not to pay?“
Alexander Pschill über Nestroys Genialität und die Theaterarbeit im Team:
Was macht die Sprache von Nestroy so besonders?
Ich finde es immer wieder unglaublich, in welcher Knappheit Nestroy die Dinge auf den Punkt bringt. Wie poetisch und tiefgründig er in wenigen Worten ist. Zum Beispiel der Satz: „Wenn alle Stricke reißen, hänge ich mich auf.“ Da steckt so viel psychologische, philosophische, dramatische, politische Weisheit drin, das ist einfach faszinierend. Man kann das mit Shakespeares Komödiensprache vergleichen.
Du kennst Nestroy auch aus der Perspektive des Schauspielers.
Ich habe mit 23 Jahren den Gigl in „Das Mädl aus der Vorstadt“ gespielt. Es war eine große Herausforderung, mit Nestroys Texten umzugehen, ihnen gerecht zu werden und herauszufinden, wie man diese sehr spezifisch österreichischen Pointen setzt. Nestroys Sprache war ja bahnbrechend für den österreichischen Humor. Bis heute haben wir ihm sehr viel zu verdanken.
Wie habt ihr das Stück ins Heute gebracht?
Wir wollten die Position der Salome ausbauen, die zwar immer als starke Figur beschrieben wird, aber bei allem Respekt für den Autor doch sehr devot charakterisiert ist. Es war uns ein Anliegen, Salome noch mehr Bedeutung und Selbstbewusstsein einzuräumen. Eine andere Veränderung ist, dass Titus nicht nur Frauen an der Nase herumführt, nicht nur sie fallen auf ihn herein, sondern die Menschen generell. Christian Dolezal spielt den Herrn Cypressenburg, der ebenso dem Charme des Titus erliegt.
Du hast vorhin schon Shakespeare erwähnt. Euer Bühnenbildkonzept könnte man als Simultanbühne beschreiben, mit der sowohl Nestroy selbst als auch Shakespeare gearbeitet haben.
Wir sind es in unserem kleinen Theater [Anm.: Bronski & Grünberg in Wien] gewohnt, dass Szenenwechsel fast unmöglich sind und haben eine Tugend daraus gemacht. In unseren Stücken spielt fast alles in Realzeit und manchmal gleichzeitig. Im Landestheater können wir dafür die Drehbühne nutzen. Auch in unserer Fassung für „Der Talisman“ gibt es nur kleinste Zeitsprünge. Ich mag es, wenn die Schauspieler*innen am Schluss schweißgebadet sind und ihre Figuren sind es ebenso, weil sich alles in einer Einheit der Zeit abgespielt hat.
Ihr arbeitet als Regieteam. Wie funktioniert das?
Meistens schreibt Kaja Dymnicki die eine Hälfte des Stückes, ich die andere und dann reichen wir es noch ein paar Mal hin und her. Wir sind so symbiotisch bei der Erstellung der Fassung, dass wir nach der Premiere nicht mehr wissen, wer welchen Satz geschrieben hat. Auch das Ausstattungskonzept erarbeiten wir gemeinsam. Danach trennt es sich: Kaja ist die Einzige von uns beiden, die weiß, wie man einen Hammer hält, und sie ist für die Ausführung der Ausstattung mit den Werkstätten verantwortlich. Ich übernehme die Arbeit mit den Schauspieler*innen.
Seit 2015 arbeiten die Bühnenbildnerin Kaja Dymnicki und der Schauspieler Alexander Pschill im Bereich Text, Regie, Bühne und Schauspiel zusammen. Sie sind Mitbegründer und im Leitungsteam des Theater Bronski & Grünberg.
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