Archiv: Dantons Tod
Landestheater Großes Haus
von Georg Büchner
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
© Alexi Pelekanos
© wikipedia/William Warby
von Georg Büchner
Der Ruf nach „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ befeuert Ende des 18. Jahrhunderts die Französische Revolution. Die Herrschenden sollen dem Volk dienen, nicht nur einer elitären Minderheit. Doch der Kampf für eine gerechtere Welt wird zu einem blutigen Bürgerkrieg. Georg Büchners Revolutionsdrama beginnt da, wo die großen politischen Ideen allmählich von den Eitelkeiten und Emotionen der Anführer zersetzt werden. Der einstige Volksheld Georges Danton ist in den letzten Jahren zu Wohlstand gekommen und genießt einen ausschweifenden Lebensstil. Obwohl das Volk noch immer hungert, fordert Danton das Ende der Revolution. Robespierre und seine radikalen Anhänger dagegen wollen die Terrorherrschaft aufrechterhalten. Fünf Jahre nach dem Sturm auf die Bastille ist von den einstigen Forderungen nicht mehr viel übrig. Die Revolution hat längst ihre Ideale verloren und eine unbeherrschbare Eigendynamik entwickelt. Täglich fordert sie neue Opfer: „Die Revolution ist wie Saturn, sie frisst ihre eigenen Kinder.“
Kaum ein historisches Ereignis hat das Bewusstsein der Moderne so stark geprägt wie die Französische Revolution. In einer Zeit, die noch unter dem direkten Einfluss und in genauer Kenntnis der Revolutionsjahre stand, schrieb Georg Büchner „Dantons Tod“ in wenigen Wochen auf der Basis von historischen Quellen. Er selbst war im Kampf gegen die Unterdrückung der hessischen Landbevölkerung aktiv. In „Dantons Tod“ beschreibt Büchner die Revolution aus der Innenperspektive, ohne Partei zu ergreifen. Die spanische Regisseurin Alia Luque, die zuletzt am Landestheater Niederösterreich Grillparzers „Das goldene Vlies“ inszenierte, untersucht „Dantons Tod“ als Wendezeitdrama: Müssen das alte Machtsystem und seine Vertreter vernichtet werden, ehe eine neue Gesellschaft errichtet werden kann?
TRAILER
Norbert Mayer, DIE PRESSE
"Die Aufführung konzentriert sich in dem verknappten Text vor allem auf die tatsächlichen Debatten der Kontrahenten Danton und Robespierre, auf ihre demagogischen Meisterwerke, sie werden assistiert von Camille Desmoulins und Saint Just. Die Inszenierung ist streng, packend und so schlicht wie das Bühnenbild von Christoph Rufer. Es herrscht der Terror, darüber täuscht auch nicht die wunderschöne klassische Musik hinweg ...
Die Waffe, mit der hier gekämpft wird, ist das wirkmächtige Reden. Es wirkt reizvoll und gewinnt im Verlaufe des knapp zweistündigen Abends an Intensität, wenn dieses Quintett an Darstellern die Rhetorik der Revolutionäre variiert. Kerl spielt Robespierre so traurig wie entschlossen, so idealistisch wie gefährlich. Bächli verleiht ihren Rollen immer auch etwas Heldenhaftes, sie kann mitreißen. Das jugendliche Ungestüm dominiert bei Dumont, auch Artner pflegt das, es schlägt bei ihm aber blitzartig in berechnende Kälte um. Und bitterböse, stets gewaltbereit spielt Scherff. Jeder von diesen exzellenten Schauspielern erhält die Gelegenheit, Brandreden zu halten. Da wird die Fahne der Freiheit geschwungen, bis dann der nächste philosophische Disput über Gott und die Welt in etwas abstraktere Sphären führt. Sogar Spinoza wird als argumentativer Helfer angerufen. Hier werden die ganz großen Themen abgehandelt, der Kampf um die Freiheit, der Kampf für eine bessere Welt.
Das Premierenpublikum bedankte sich nach diesem Gemetzel mit anhaltendem Applaus."
Peter Jarolin, KURIER "... das schwer auf die Bühne zu bringen ist, ohne in Pathos oder Klischees zu verfallen. Der spanischen Regisseurin Alia Luque aber gelingt im Landestheater Niederösterreich die sprichwörtliche Quadratur des Kreises. Sie räumt mit Büchner auf, klopft die politischen Thesen auf ihre Allgemeingültigkeit ab und stellt sie in einen verblüffend aktuellen Bezug."
Michaela Mottinger, Mottinger-Meinung.at "Alia Luque hat eine interessante und sehr zeitgemäße Interpretation von „Dantons Tod“ entwickelt, die sie im Widerspruch zur Bühnensituation aus allem Musealen befreit hat, die aber ein bisschen Zeit braucht, bis sie sich entfaltet. Ihre Verweigerung, Geschichte als solche zu erzählen, und stattdessen ganz aufs papierraschelnde Thesentheater zu setzen, muss man zweifellos mögen, um an dieser Inszenierung Gefallen zu finden. Ein „easy listening“ lassen die von Luque verschränkten Texte nicht zu, Aufmerksamkeit ist gefordert, will man der Aufführung folgen. Interessant auch, dass sie Dantons dunkle Seite, die Septembermorde, darob die Gewissensbisse und Albträume, die übermäßige Völlerei und die Sexsucht völlig auslässt, um ihren im Wortsinn vielgesichtigen Protagonisten nicht zu beschädigen. Die Schauspieler überzeugen nach anfänglicher Stasis zunehmend und laufen bis zur „Halbzeit“ zu guter Form auf.
In St. Pölten bekennt man sich mit dieser Produktion einmal mehr zum eingeschlagenen Weg als moderne, urbane Spielstätte. Dies Politikerdebatierstück im Wahlkampfjahr 2017, im Herbst der Elefantenrunden, TV-Duelle und Plakatslogans anzusetzen, ist als gesellschaftspolitische An- und Aussage verstanden worden. Ein „nach“ oder „frei nach“ im Titel hätte dieser Theaterarbeit allerdings gutgestanden."
Martin Pesl, nachtkritik.de "Büchners eng an der Chronik der Französischen Revolution orientiertes Drama hat Regisseurin Luque entdramatisiert und auf seine Thesen, Ansprachen und Argumente reduziert."
Kultur und Wein "... aber mit diesem Ausbruch von Zerstörungswut wird Revolution über die Rampe gebracht, genauso wie das Verständnis für den Satz von Dantons Gegner Saint-Just: „Ist es denn nicht einfach, dass zu einer Zeit, wo der Gang der Geschichte rascher ist, auch mehr Menschen außer Atem kommen?!“"
Michael Wurmitzer, DER STANDARD "Massiv diskursiv ist der Abend ein Theorietext in Dialogen und verteilten Rollen. Verhandelt wird nicht weniger als die Möglichkeit des Zusammenlebens. Wie Prediger stehen die Uneinigen da und wortverfechten ihre Positionen.
Viel verdienter Applaus für eine ästhetisch kühl angerichtete schwere Kost."
0 Einträge Eintrag